Die Hexe Wanda

Zerzaustes Haar, ganz rot und struppig,
saß Wanda am Boden und warf die Knochen.

"Ein Mann wird in mein Leben treten",
so hieß es da, und weiter:

"Er wird mich auf sein Schloß entführen
und will in meinem Leben rühren.

Doch die Hexenkunst lieb ich allein
und sollt` er auch der Richt`ge sein.

Ihm will ich nimmermehr gehören,
sondern für mich im Stillen leben

alleine hier im Wald,
und zaubern und hexen

und all die Künste üben,
die wir als weise Frauen lieben."

 Ein Mond verging und noch ein Tag,
da braute Wanda einen Schlafestrunk.

"Man kann nie wissen," dachte sie
und rührte und mixte, "wofür ich ihn brauche.

Verstecken will ich ihn,
im Gürtel am Bauche."

Sie füllt` ein Gläschen voll davon,
und band es an den Gürtel an.

Kaum war sie mit der Arbeit fertig,
als es an die Türe klopfte

und ein Jüngling blond und schön,
doch krank und ärmlich anzusehn,

Wanda um ein Lager bat.
Sie ließ ihn ein und dachte sich:

"der wird`s nicht sein, den ich geseh`n.
Ich helfe ihm. Was soll geschehn?"

Er ließ sich auf dem Bette nieder
und Wanda salbte seine Glieder,

und gab ihm noch ein Brot dazu
mit Wein und einem Braten.

Der Jüngling dankt`s ihr
und legte sich zur Ruh.

 Die Hexe zog es in den Garten.
Dort schlief sie im Schatten der Buche ein,

und dachte nichts und ahnte nichts,
als der Jüngling gen Morgen bei ihr stand

und Wanda, die Schlafende, auf`s Pferde band.
Er schwang sich auf`s Roß

und ritt davon im leichten Galopp.

Und Wanda, die immer noch schlief,
merkte von all dem nichts.

 Erst als sie im Schlosse waren
und der Jüngling sie vom Pferde nahm,

erwachte Wanda in seinen Armen,
als er sie nach drinnen trug.

Sie keifte und zeterte,
doch er kannte kein Erbarmen.

 
Die arme Wanda ward eingesperrt in einem
goldenen Zimmer,

und schimpfte und heulte:
"Dich will ich nimmer!"

Doch all das nützte ihr wenig.
Der Jüngling war ein König und hatte das Sagen.

Da half kein Weh nicht und kein Klagen.
Doch Wanda nicht träge,

machte einen Plan.
"Na warte Bürschchen, dich krieg ich ran."

So tat sie lieb und freundlich
um ihm zu behagen.

Und der König faßte Vertauen
und lud sie zum Trinken ein.

Den Schlafestrunk schüttete Wanda unbesehen in den Wein.

Noch lachte der König,
doch kurz darauf fiel er vom Stuhl

und Wanda schlich sich eilends davon.
Sie nahm das beste Pferd und ritt an den Wachen

vorbei.
"Endlich," dachte sie, "bin ich frei."

 Im tiefen Walde, den sie nicht kannte,
machte sie Rast.

Sie sah sich um, und fand dies eine sichere Stelle,
wo sie ihr Häuschen bauen könnt`.

Hier ließ sie sich nieder
und baute ihr Heim.

Der König fand sie nie wieder.

Und sie lebte alleine, wie sie das wollte,
und hext und braut und tollt noch heute.

Magdalena Bott

mehovia@web.de
 
http://www.mehovia.de.vu