Der Stuhl der schien stabil zu sein

Der Stuhl der schien stabil zu sein
'ne Dame, schon ein wenig ältlich,
an manchen Stellen auch schon fältlich,
mit Hund und Kavalier auf Reisen,
betritt ein Gasthaus, um zu speisen.

Die Dame, die recht korpulent,
obgleich ihr Freund sie "Elfchen" nennt,
versucht nun ihre Leibesmassen,
einem Stuhle anzupassen.

Das Möbel stöhnt, neigt sich zur Seite;
die Dame fällt in voller Breite
auf das glänzende Parkett.

Ein Kellner - eilend mit Tablett -
glaubt, es könne ihm gelingen,
das Hindernis zu überspringen.

Er schafft den Sprung, doch rutscht er dann
in die Garderobe nebenan,
und das Tablett - mit Wein und Fisch -
es landet auf dem Nachbartisch.

Nun regt im Kavalier sich Leben;
er versucht, sein "Elfchen" aufzuheben.
Doch ist der gute Mann schon alt
und von recht mickriger Gestalt.

Und so kommt, was kommen muß:
Ihn trifft brutal ein Hexenschuß.
Da schleicht er nun, den Rücken krumm,
stöhnend um sein „Elfchen“ 'rum.

Indes zerrt draußen mit Gewauf
Frauchens Hund die Leine auf,
an die sie ihn hat festgebunden,
weil man das halt so macht mit Hunden.

Im übrigen gleicht dieser Hund
seinem Frauchen bis aufs Pfund;
und dies Gewicht gilt's einzusetzen:
Man sieht ihn durch die Türe hetzen.

Hier endet die Geschichte dann,
da man Chaos nicht recht schildern kann.


Quintessenz:

Es ist der Mensch doch allentwegen
so manchen Täuschungen erlegen:
Zum einen, weil man ihn belügt,
zum andren, weil der Schein ihn trügt.
In diesem Falle trog der Schein:
Der Stuhl, der schien stabil zu sein.

Hans Schletz

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Hans Schletz

1948


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